09.04.2014

VERSTREUTES: Die Don't-Do-List

Manchmal hab ich so viel auf meinen (oft imaginären) To-Do-Listen stehen, dass ich nachts schon davon träume, wie viel ich noch erledigen und erreichen muss. Dabei habe ich als Studentin/Diplomandin mit meinem Eigentlich-vom-Zeitaufwand-nicht-der-Rede-wert-Nebenjob gar nicht so viel zu tun - aber ich schaff es trotzdem immer wieder, mich wunderbar selbst zu stressen und halb wahnsinnig zu machen

Eins gleich vorweg: Es ist nichts Existenzbedrohendes, worüber ich mir Gedanken mache, sondern es handelt sich um first world problems, was aber NICHT heißt, dass diese Gedanken für mich weniger nervtötend sind. Schließlich hab ich ja nichts anderes, worüber ich mir Sorgen machen und mich ärgern muss, denn ich bin weder von nagendem Hunger noch von akuter Armut bedroht und ein Kriegsausbruch ist im friedlichen Österreich in nächster Zeit auch nicht abzusehen.

Und wenn man nichts wirklich Lebensbedrohendes hat, worüber man sich Gedanken machen kann, dann kommt sie, die To-Do-Liste, die eigentlich Ich-muss-besser-werden-Liste heißen sollte. Hier meine ganz persönliche:

Ich muss jeden Tag perfekt und gut kochen. Ich schimpfe mich Foodbloggerin, verdammt! Andere Foodblogger machen Blätterteig, Ricotta und Suppenwürze selbst. Wie machen die das, zur Hölle?!

Ich muss mich gesünder ernähren, ich muss meinen Eier- und Milchproduktkonsum einschränken. Die armen Tiere. Vegan essen ist so gesund. Und überhaupt. 

Ich muss jeden Tag etwas für meine Diplomarbeit tun. Andere Studenten arbeiten drei Monate an ihrer und sind fertig. Und ich? Ich bin eine Versagerin, die über ein Jahr an ihrer herumfuhrwerkt und immer noch nicht damit abgeschlossen hat.

Ich muss mehr Geld sparen, damit ich für den Notfall etwas habe. Zwar gebe ich schon viel weniger aus als vorher, aber von dem, was noch übrig ist, kann ich sicher noch was fürs Sparbuch abzweigen! Andere Leute haben in meinem Alter schon ein Auto abbezahlt!

Ich muss bis zu diesem Zeitpunkt mit allem fertig sein, sonst bekomme ich nächstes Jahr keine Stelle. 

Ich muss ordentlicher und kreativer beim Einrichten werden. Alle anderen haben immer so tolle, schöne, perfekt dekorierte Wohnungen!

Ich muss mehr Zeit mit sinnvollen Tätigkeiten verbringen. Ich könnte zum Beispiel mehr Zeit mit Klarinettenüben verbringen oder endlich mal den Kasten ausräumen.
Moos
"Was, du rennst schon wieder in der Gegend herum und machst schlechte Fotos? Hopphopp, an den Schreibtisch!"
Ich muss meine vielen Freizeitaktivitäten einschränken. So viele Hobbys sind ja nicht normal und sie fressen so viel Zeit. Andere sind so organisiert und zielstrebig.

Ich muss nett zu allen Menschen sein. Nett sein ist wichtig. 

Ich muss mich besser schminken lernen. All diese Schminkblogger sind immer so toll angemalt, das sieht spitze aus. Ich will das auch. 

Ich muss mich mehr auf die wichtigen Dinge des Lebens konzentrieren. Focus, focus, focus.

Aaargh.

Dann kam dieser Artikel, den das Provinzkindchen auf Facebook geteilt hat. Wer mag, kann jetzt kurz rüberklicken und sich die schlauen Worte durch den Kopf gehen lassen. Für die unter euch, die nicht so gern auf Englisch lesen, hier die Kurzzusammenfassung
Die Autorin findet, dass To-Do-Listen oft Erwartungen in einem wecken, die nicht zu erfüllen sind, weil man einem Ideal nachjagt, das man nicht erreichen kann. Dies ist vor allem der Fall, wenn man so sein will wie andere, aber innerlich weiß, dass das nicht geht. Deshalb sollte man von der To-Do-List alles eliminieren, was einen zu jemand anderem macht, denn das geht nicht. Die Lösung? Eine Don’t-do-List, die sich auf die Dinge konzentriert, die einen selbst ausmachen. Ist das nicht schön?

Also:
Ich muss nicht jeden Tag mit frischen Zutaten kochen. Auch wenn ich gerne koche und ausprobiere: Es ist auch okay, ab und zu Halbfertig- und Fertigprodukte wie Golden Curry oder Blätterteig zu verwenden. Meine Zeit ist mir nämlich zu schade, um täglich alles selbst zu produzieren und dreimal am Tag den Geschirrspüler ein- und auszuräumen. 

Ich muss mich nicht einschränken, was meine Ernährung betrifft, denn ich bin schon ziemlich brav. Wenn ich Lust auf Eier und Milchprodukte habe, dann esse ich sie. Bei den Mengen, die ich zu mir nehme, brauche ich kein schlechtes Gewissen zu haben.
Frühstück mit Spiegelei
Wirklich nicht.
Ich muss nicht jeden Tag an meiner Diplomarbeit arbeiten, denn mein Thema ist sehr umfangreich. Klar, es gibt Themen, sie sind übler als meins, aber ich hab es mir schon selbst sehr schwer gemacht – zynischer O-Ton einer Kollegin, nachdem ich ihr von meinem Forschungsaufbau erzählt habe: „Oh, du schreibst also eine Diss?“. Dass man da ab und zu etwas Abstand braucht, sollte selbstverständlich sein, doch wie schon mein Freund Egmont sagte: „Als Student hat man nie frei – man sollte immer was tun, weil man ja eh nichts zu tun hat“. Und genau deshalb nehme ich mir sonntags frei. 

Ich muss nicht mehr Geld sparen. Dass ich überhaupt etwas zurücklege und jedes Monat auf die Bank trage, ist schon ein großer Sieg, denn Sparen habe ich eigentlich nie richtig gelernt. 

Ich muss nicht bis zu diesem speziellen Zeitpunkt mit allem fertig sein – auch wenn ich natürlich fertig werde! – denn selbst wenn etwas dazwischen käme, ergibt sich nächstes Schuljahr etwas Positives. Der weltbeste Freund hat schon recht: „Cross the bridge when you face it“. 

Ich muss nicht ordentlicher werden und eine Innenarchitektin in spe werden, um jemand anderem etwas zu beweisen. Inneneinrichtung ist wirklich nicht meine Stärke, wie jeder erkennen kann, der einmal bei uns zu Besuch war. Aber ich mag unsere Wohnung trotzdem sehr, weil sie unsere Höhle mit unseren Sachen ist. Ob die Blumenvase zur Tischdecke und die Tischdecke zur Wandfarbe passt, ist mir eigentlich, ganz ehrlich gesagt, auch komplett wurscht. 

Ich muss nicht mehr Zeit mit sinnvollen Tätigkeiten verbringen. Freizeit und Freizeitaktivitäten sind immens wichtig, damit man nicht durchdreht. Ja, mir hilft es beim Runterkommen, wenn ich die neuen Pokémonfolgen auf Japanisch mit englischen Untertiteln anschaue. Und nein, ich schäme mich NICHT dafür! ;)

Ich muss nicht meine vielen Freizeitaktivitäten einschränken. Anime, Manga, kochen, lesen, bloggen, fotografieren, zwei Musikgruppen. zwei Romane gleichzeitig schreiben – ganz schön viel zu tun! Aber dass ich so viel tun kann und will, geht nur noch jetzt. Solange es geht, werde ich es auskosten. 

Ich muss nicht nett zu allen Menschen sein. Es hilft zwar in vielen Lebenslagen, wenn man prinzipiell anderen freundlich gegenüber tritt, aber wer arschig zu mir ist, hat es nicht verdient, freundlich behandelt zu werden. Punkt.

Ich muss mich nicht besser schminken – auch wenn ich dank der Liebelle mittlerweile gelernt habe, einen Lidstrich zu ziehen, der nicht aussieht wie von einem Parkinsonleidenden gemalt – ungeschminkt geht es mir, meiner Haut und meinen Augen besser. (Und hey, ich seh auch ohne Make-up gut aus, wird behauptet ;))

Ich muss mich nicht mehr auf die „wichtigen Dinge des Lebens“ konzentrieren. Wer bestimmt überhaupt, was diese wichtigen Dinge sind? Und wer weiß schon heute, was mir in zehn Jahren wichtig sein wird? 

Puh, das war richtig befreiend, das alles niederzuschreiben! Kennt ihr diesen Druck, anderen nachzueifern und immer "besser" werden zu müssen, auch? Wie geht ihr damit um? Und was wäre auf eurer Don’t-do-Liste?

4 Kommentare:

  1. Ich finde auch, dass wir das Müssen öfter mal von uns abstreifen sollten. Wer sagt, denn dass man etwas bestimmtes muss? Tu was dir Spaß macht, der Rest ist zweitrangig und rechtfertigen msust du dich nur vor dir selbst...

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    1. Man muss zu viel müssen, stimmt :( Aber das Rechtfertigen ist oft so schwierig, weil man dann ja doch nicht NUR für sich lebt...

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  2. Das unterschreibe ich so! Meine Sachen, die ich machen muss oder nicht gut kann, sind zwar andere, aber ich kenne das gut!
    In einem Anflug von "hilfe, ich bin dumm" hab ich mir neulich lauter literarisch wertvolle Bücher gekauft, aber ich bin gerade so überhaupt nicht gut drauf und drum gönne ich mir jetzt einfach chicklit vom feinsten :)) muss auch mal sein. Und eigentlich sind wir sowieso gut so wie wir sind, wir glauben immer nur dass alle anderen besser sind!

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  3. jup ich unterschreibe mit ! kenn ich nur zu gut !

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