19.09.2012

GELESEN: Der große Bioschmäh



Vor lauter Lesen ist mir schon ganz schwummrig im Kopf. Am ersten Oktober hab ich nämlich meine letzte Prüfung vor der Abschlussprüfung in Englisch, einem meiner beiden späteren Unterrichtsfächer. Und weil ich in Englisch im Gegensatz zu Deutsch ein richtiges Schwammerl bin, leider, muss ich halt jetzt ein Monat lang intensiv hackln, weniger kochen, auf meinem Lesesofa leben und hoffen, dass ich die Prüfungslektüre doch noch irgendwie derlese. Ich bin ganz gut in der Zeit, das muss ich natürlich sagen, weil ich bin die schnellste Leserin der Welt! :D

Und da ich so superschnell lesen kann, hab ich es sogar noch geschafft, nebenher ein anderes Buch zur Entspannung zu lesen. Wenn ich nämlich immer nur amerikanische Modernisten und Transzendentalisten verschlingen und verstehen muss, dann werd ich bald wahnsinnig und zünd irgendwas an. Vorzugsweise den Bücherstapel am Küchentisch.

Die Entspannungslektüre, die sich dann doch irgendwie als nicht so recht entspannend herausgestellt hat, ist das Buch „Der große Bio-Schmäh: Wie uns die Lebensmittelkonzerne an der Nase herumführen“ von Clemens G. Arvay, der bei einer großen österreichischen Biomarke mitgearbeitet hat.


Nun, das Buch beschäftigt sich also mit Bio, ein Thema, das seit kurzem wegen einer neuen Studie ja wieder in aller Munde ist. Auch sonst ist Bio ein Riesenerfolg in Österreich, denn Biolebensmittel finden sich zu akzeptablen Preisen in jedem Supermarkt. Auch arme Studentinnen und ihre weltbesten Freunde kommen so in den Genuss der billigen Biowaren und dürfen sich gut fühlen, wenn sie anstatt konventionellem Käse und Kürbis die Biovariante aufs Förderbandl legen und teilweise gleich doppelt so viel bezahlen. Alles super?

Mitnichten, meint der Autor, und trennt gleich zu Beginn des Buches in Bio-TM und Bio. Bio-TM meint hier das Supermarktbio, das dem Autor so gar nicht gefällt. Er bringt drastische Beispiele aus der Supermarkt-Bio-Landwirtschaft, beschreibt gewaltige Biomonokulturen, die für Supermarktbiogemüse angelegt werden, und schildert auch die üblen Zustände, denen konventionelle Biotiere oft ausgesetzt sind. Gleichzeitig kritisiert er die Biowerbung – vor allem das Ja!Natürlich-Schweinderl(lieb!) und die Zurück zum Ursprung-Werbung als irreführend und verbraucherverwirrend. Öhm, dass das Schweinderl natürlich nicht den ganzen Tag mit dem Bauern auf einem sonnigen Hof herumläuft und dass das Brot der Ursprungsbauern nicht von knorriger Bergbauernhand geknetet wird, war mir schon vorher klar, soweit also im Westen nix Neues.

Dass allerdings die Bergbauernmilch auch aus dem Burgenland stammen darf – höchste Erhebung 884 Meter! – und das Bergbauernbrot vom gleichen Fertigbrothersteller kommt wie all das andere Fertigbrot, das man im Supermarkt kaufen kann, hat mich dann doch etwas erschüttert, zugegeben. Auch die üblen Zustände in der Tierhaltung, auch wenn Bio draufsteht, waren erschreckend, aber auch das hätte ich mir eigentlich denken können. Supermarktbio ist nun einmal ein zu großer Gewinnbringer, als dass man da noch irgendwie auf das Wohl der Tiere schauen könnte – wär ja nicht absatzsteigernd. Besonders erschreckt hat mich das Bio-Huhn, das aus einer Schlüpffabrik aus dem Ausland kommt, in einen dunklen Stall gesperrt wird, meist nicht einmal das Tageslicht erblickt, und dann per Fließband wieder aus dem Leben verschwindet. Gleichzeitig wird uns aber vorgegaukelt, Bio sei so natürlich, toll und gut für die Tiere und die Umwelt – was die Werbung alles zustande bringt, ist schon erstaunlich, denn ich persönlich würde ja schon gerne glauben, es sei alles wunderschön in der Bio-Welt, obwohl sie sich nur marginal von der tatsächlichen konventionellen Landwirtschaft unterscheidet. 

Für Arvay ist der einzig gute Weg der Gang zum Ab-Hof-Verkauf und Bioladen wie z.B. dem Bioladen Matzer in Graz, bei dem ich auch gerne ab und zu einkaufe, wenn mir das Geld grad locker sitzt. Leider geht das nicht jeden Tag, denn die Preise für richtiges Bio sind astronomisch hoch, und Bio-Fleisch könnt ich mir wohl nur einmal im Monat leisten – würd ich es denn essen. So gesehen ist seine Argumentation etwas daneben, denn gäbe es Supermarkt-Bio nicht, könnte ich mir wohl nicht allzu oft Biolebensmittel leisten, und ich denke, dass es vielen nicht so wohlhabenden Menschen gleich ginge. Ob es das Ziel sein kann, Bio wieder zu etwas zu machen, dass sich nur Superreiche Frauen in Jesuslatschen und Jutekleidern leisten können?

Was mir außerdem im Buch abgeht, ist die Tatsache, dass Bio-Lebensmittel, egal ob Supermarkt-Bio oder Bioladen-Bio, immer weniger Pestizide und Düngemittelrückstände enthalten, denn die sind ja in der Biolandwirtschaft verboten. Eigentlich eine coole Sache, nur leider wird dieser Vorteil gar nicht erwähnt, da das Buch sich zu sehr auf die Supermarktbiolüge konzentriert. Will man also über die guten Seiten der Biolebensmittel mehr wissen, dann muss man selbst recherchieren. Allerdings wurde auch in der neuen Studie der Vorteil der Pestizidfreiheit einfach unter den Tisch gekehrt...

Insgesamt fand ich das Buch recht unterhaltsam und auch spannend zu lesen. Manches wusste ich noch nicht, einiges war mir neu, vieles hatte ich mir insgeheim schon gedacht. Für Bio-Esser in Österreich, die etwas hinter die Kulissen der heilen Biowelt schauen wollen, ist es sicherlich empfehlenswert!

Ich werde weiterhin Supermarkt-Bio kaufen, denn für mich ist es bei meinem etwas knappen Budget derzeit unmöglich, vollständig auf "richtiges" Bio umzusteigen. Wie seht ihr das? Bio: Kauf ihr es? Alles super oder eh nur ein Riesenschmäh?

7 Kommentare:

  1. Ich kaufe auch ab und zu bio aus dem Supermarkt. Das mit den Pestiziden, so hab ichs jedenfalls mal gelesen, ist bei Bio nicht komplett verboten, sondern weniger, als bei konventionellen Lebensmitteln. Es wird trotzdem mehr oder weniger Gespritzt etc... nur eben weniger.

    Insgesamt kaufe ich nur Bio, wo ich es für sinnvoll halte. Also z.B. bei Milch und Eiern und ab und zu Gemüse und Obst. Sowas wie Bio-Kartoffelchips oder Süßigkeiten kaufe ich eigentlich nicht wegen bio, sondern weil die Sachen aus dem Bioladen oft anders/besser schmecken als die Supermarktsorten. Vor allem wird oft anders oder weniger gesüßt, was ich angenehmer finde.

    Leider kann ich mir als Student auch nicht immer sowas kaufen - das wird dann immer in besonderen Momenten genossen.

    Allgemein habe ich das Glück auf ziemlich viel eigens angebautes Gemüse und Obst zugreifen zu können - das ist auf jeden Fall Bio und für mich kostenlos :) Deswegen ist eigentlich für mich die beste Lösung: Selber anbauen! Auch wenns nur die kleine Cherrytomate aufm Balkon ist :)

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    1. Das mit dem selbst angebauten Gemüse find ich super, besser kann es wirklich nicht gehen!

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  2. Bio kaufe ich Eier, (da noch dazu Freiland - ich liebe Hühner und will auf keinen Fall, dass wegen mir das Vedervieh in irgend einer Halle eingesperrt sein muss und sich zu Tode pickt), manchmal Milch, tw. das Fleisch (wobei ich da auch mehr auf regionalität achte und wir nicht oft Fleisch essen), Gemüse wo es geht und logisch ist (Bio-Melanzani aus Ägypten WTF? Was für eine Art Bio ist das dann?) oder sonst am Bauernmarkt. Für uns muss es nicht immer Bio sein, solange es dann regional(er) ist. Und ich steh auf unser Gemüsekisterl - das ist superpraktisch!
    Beim Matzer waren wir leider schon lang nicht mehr, ich liebe ja die großen Säcke mit den "Körndln" und die Milch in Glasflaschen - jetzt hast du mir Lust gemacht, aufs Einkaufen beim Matzer - ich glaub', da muss ich diese Woche noch hin. (Obwohl ich mir wahrscheinlich nur einen Apfel kaufen kann bei meinem Budget ;oP )

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    1. Ich mags auch regional, der Lendplatz und ich haben eine ganz besondere Beziehung!

      Jaja, der Matzer - letztens wieder 27€ dortgelassen und daheim die Frage: "Für die fünf Sachen so viel Geld? Was ist nur in dich gefahren?" Die haben auch Sojamilch in Glasflaschen! <3

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  3. Ich schleich schon ewig um das Buch herum... im Wesentlichen ist mir aber jetzt schon klar, was da drin steht... aber will ich es wissen? Mit Bio aus dem Supermarkt kauft man sich doch auch ein bisserl reines Gewissen ein und hofft drauf, dass ein Idealist einem die Bürde der Moral und Ethik abnimmt. Und letztendlich ist es schon auch das, worum es gehen sollte. Studien, wie die von Dir angesprochene, ärgern mich genauso wie Dich, vor allem insofern, weil Bio ja wohl nicht darauf reduziert werden kann, dass wir uns gesünder ernähren... ergo, sind nicht mehr Vitamine drin, ist alles ein Schas. Ich persönlich kaufe Bio vor allem deswegen, weil ich meinen Kindern und Kindeskindern eine Welt hinterlassen möchte, die noch lebenswert ist. Und um Deine Frage zu beantworten. Ja, auch ich werde weiterhin Bio im Supermarkt kaufen, wenn es halt gerade nicht anders geht. Wenn ich um sechs am Abend auf dem Weg nach Hause bin und froh bin es noch rechtzeitig in den Supermarkt zu schaffen...da hab ich kein schlechtes Gewissen.
    Lieben Gruß von Frau Ziii

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    1. Liebe Frau Ziii,

      Das mit dem reinen Gewissen ist wirklich war, und vielleicht sollte man das Buch gerade deshalb lesen. Aber ich hab wirklich ein reineres Gewissen, wenn ich bio kaufe, weil ich dann ja etwas für die Umwelt tue. Massentierhaltung und Monokulturen können ja nicht die Zukunft sein - oh, Moment, das gibts ja bei Bio auch. Aber ein bisschen besser ist Supermarktbio dann doch.

      Das Buch hab ich mir auch nicht gekauft, sondern aus der Stadtbibliothek ausgeborgt ;)

      Liebe Grüße
      Nadja

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  4. Ich will auch schnell lesen können. >__> Ich lese total langsam und nach spätestens 5 Minuten werde ich unruhig und kann mich nicht mehr richtig konzentrieren. Manchmal befürchte ich, ich habe zu viel Aufmerksamkeitsdefizit. T__T

    Bio heißt doch eigentlich nichts anderes als Verzicht auf bestimmte Substanzen, oder? Dementsprechend kann man nicht erwarten, dass sich dadurch die Tierhaltungs-, Anbau- oder Verarbeitungsmethoden ändern. Denke ich.

    Fleisch kaufe ich sowieso niemals ein. Mich wird man an keiner Fleischtheke sehen, auch wenn ich nicht vegetarisch lebe.

    Wenn Bio, kaufe ich immer bei Erdkorn ein, das ist ein richtiger Bio-Supermarkt, die haben alles. Man könnte bestimmt problemlos leben, wenn man ausschließlich da einkaufen geht. Die haben auch einen Bäcker mit den großartigsten Dinkel-Walnuss-Brötchen auf der Welt. Die müssen da Suchtstoffe reinbacken, ich bin verrückt nach diesen Brötchen. Und eh haben die bei Erdkorn Sachen, die es anderswo gar nicht gibt. Da geht's mir dann gar nicht um das Biosiegel.

    Wie dem auch sei, ich selbst lege keinen Wert auf Bio. Monsieur Plüschzwerg bekommt - wenn irgend möglich - ausschließlich Bio, weil sich die Menge an Schadstoffen auf 53 Gramm Hamster sicher schädlicher auswirkt als auf 53 Kilo mich. Auch wenn Monsieur Pustekuchen natürlich viel weniger isst. Nein, ich denke mir nicht täglich neue Spitznamen für meinen Hamster aus. >___>

    Ich glaube, dass ich gar kein Supermarktbio kaufe, einfach weil ich da nicht so genau hinsehe, ich suche nicht bewusst danach. Ich gucke nicht auf den Einkaufszettel und denke "Oh, ich brauche Nudeln. Gibt's die auch in Bio?" Mit Bionudeln habe ich übrigens eh ganz schlechte Erfahrungen gemacht. -__-

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