Jetzt, wo ich wirklich, wirklich, wirklich bald fertig bin mit meinem Studium - am 21. Juli ist Prüfungstermin! - erinnere ich mich gerne an
die Zeit in der Hauptbibliothek in Graz letztes Jahr. Zu dritt schrieben ich, S. und O.
während der Sommerferien täglich fieberhaft an unseren Abschlussarbeiten in den
fast ausgestorbenen Benutzerräumen.
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Das Hauptgebäude. |
Die anderen Studenten hatten wohl Besseres
zu tun, als bei
gefühlten 30 Grad und 70% Luftfeuchtigkeit drinnen zu dunsten.
Ich hatte als letzte begonnen und konnte mir noch etwas laissez-faire leisten,
was hieß, dass ich mir täglich alle (!) aufgelegten Tageszeitungen zu Gemüte
führte und sie sorgfältig von der ersten bis zur letzten Seite las, die anderen
beiden arbeiteten wie die Wilden an ihren letzten Seiten, kamen vor mir und
gingen nach mir.
Die Bibliothek war unser nach
alten Folianten duftendes Büro mit niemals funktionierendem Online-Suchsystem
und bald kapitulierender Klimaanlage. Wir hatten unsere fixen Lieblingsplätze
im Arbeitsraum, mit Sichtkontakt, aber nicht so nah, dass wir dazu verführt
wurden zu tratschen. Die Wasserflaschen vor uns wurden von den Bibliothekaren
kommentarlos geduldet, dass wir alle bei der Hitze barfuß oder in Flipflops –
die Bibliothek war unser Strand! -, die beim Gehen laute Knallgeräusche
machten, unterwegs waren, ebenso. Die wenigen Studienkollegen, die sich
ebenfalls in die Bibliothek verirrt hatten, kannten wir nach wenigen Tagen und
fühlten uns wie in einer eingeschworenen Gemeinschaft, ähnlich Gestrandeten auf
einer Tropeninsel.
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Mit denen man gemeinsam mitgebrachten Cheesecake verzehren kann. |
In der täglichen, immer um Punkt Eins stattfindenden
Mittagspause, wo wir, natürlich draußen, im Schatten der Campusbäume, denn
Wurstbrote dulden selbst die sanftesten Bibliothekare nicht in den heiligen
Hallen, unsere mitgebrachten Jausenpakete auf einer Picknickdecke verzehrten,
die schon an einem geheimen Platz on campus gelagert wurde, drehte sich alles
um die Bibliothek: um die immer zu kleinen Benutzerkästchen, die man nur unter
Einsatz von voller Körperkraft schließen konnte, wenn man zwei Taschen dabei
hatte, die manchmal unfreundlichen, manchmal liebenswert schrulligen
Bibliothekare, die drückende Schwüle in den Räumen, den Lesesaal, den wir alle
drei noch nie zum Lernen und Arbeiten betreten hatten und auch nicht betreten
wollten, da wir die genervten Blicke der Jusstudenten mit ihren dicken Codices,
die bei jedem störenden Geräusch wütende Blicke in unsere Richtung schossen,
nicht ernst nehmen konnten und jedes Mal in Lachkrämpfe ausbrachen, die
Schönheit der täglichen Routine, und die Motivation, die davon kam, jeden Tag
den gleichen Weg zur Bibliothek zu nehmen und zu “arbeiten”.
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Salat im Sommer! |
Die Bibliothek war
uns zu einer Art Bekannten oder Freundin geworden, die zwar manchmal lästig
sein kann, aber ohne die es auch nicht wirklich geht.
Als der Sommer zu Ende
ging und meine beiden Freunde ihre Abschlussarbeiten einreichten, kam ich
alleine zurück und bin noch immer hier. Nun lerne und arbeite ich meist
alleine.
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Ab und zu gehe ich auch fremd und verstecke mich in der Fachbibliotkek für Anglistik. |
Die Bibliothek ist mir immer noch ein geliebter Ort, und meinen
Lieblingsplatz verteidige ich mit Zähnen und Klauen. Manchmal, wenn ich abends
ganz alleine in einem der Arbeitsräume sitze, frage ich mich: Wer wohl an meinem
Platz sitzen wird, wenn ich in wenigen Wochen mein Studium abschließe?
Und wird er oder sie
ebenso zärtliche Gefühle für die Räumlichkeiten entwickeln wie ich?
ein sehr schöner Text und es erinnert mich an meine Zeit, als ich Bachelorarbei tund dann Masterarbeit in der Fachbib der Germanistik und später der neuen UB schrieb. Ich verbinde das heute rückblickend mit einem Gefühl von Freiheit und Jugend. Nicht, dass ich jetzt super alt wäre, aber damals hatte man noch alle Wahlmöglichkeiten, die Zukunft war etwas schillerendes und aufregendes und man hatte so viel Freizeit!! Studieren ist wirklich das tollste!!
AntwortenLöschenAber zurück möchte ich dennoch nicht. Ich habe die Zeit geliebt, aber ich liebe mein jetziges Leben auch.
Stimmt - man fühlt sich so frei und irgendwie auch unbeschwert, weil man weiß, man kann sich seine Zeit ganz frei einteilen. Das ist schon irgendwie schön, find ich :)
LöschenWas für eine schöne Hymne an die UB! Ich muss gestehen, ich war immer der zuhauselerntyp. In die ub bin ich wirklich nur dann gegangen, wenn ich mir Bücher ausleihen musste. Aber das Flair ist wirklich einzigartig!
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